Angststörungen

Was sind Angststörungen?

Angst ist eine lebenswichtige körperlich verankerte Emotion, die unser Handeln entscheidend bestimmt. Sie hilft uns, Gefahren zu erkennen und darauf zu reagieren. Angst löst daher auch körperliche Reaktionen aus, z. B. in Form von Herzrasen, Schwitzen, Schwindel, kalten Gliedmaßen, Verdauungsproblemen. Sie kann auch psychische Reaktionen verursachen wie z. B. Unwohlsein, innere Anspannung, Konzentrationsstörungen sowie katastrophisierende Gedanken. Ängste vor einer realen Bedrohung bzw. einer potentiell riskanten Situation, wie zum Beispiel einer bevorstehenden Operation, ist eine normale Reaktion. Sie bereitet Menschen psychisch und körperlich auf eine Kampf- oder Fluchtreaktion angesichts einer realen Gefahr vor. Doch wenn Ängste anhaltend ohne eine tatsächliche bestehende Gefahr übertrieben stark ausgeprägt sind, oder in keinem realistischen Verhältnis zur Situation stehen, spricht man von Angststörungen.

Formen von Angststörungen

Es gibt verschiedene Formen von Angststörungen, die sich in ihren Symptomen unterscheiden.

Generalisierte Angststörung: Bei der generalisierten Angststörung stehen Ängste und Sorgen im Vordergrund, die sich auf verschiedene Bereiche des Lebens beziehen können. Betroffene sorgen sich ständig um etwas, so dass umgangssprachlich auch von der Sorgenkrankheit gesprochen wird. Betroffene denken oft in Sorgenketten und die Gedanken kreisen dabei um mögliche Gefahren. Gleichzeitig leiden Betroffene unter einer erhöhten Anspannung. Damit eine generalisierte Angststörung diagnostiziert werden kann, müssen eine Anzahl von Symptomen mindestens sechs Monate vorhanden sein und verschiedene Lebensbereiche einschränken. Die Ängste können von verschiedenen körperlichen Symptomen begleitet sein, z. B. Herzklopfen, Schweißausbrüche, Kribbeln im Magen, Schwindel, Hitzegefühl, Kälteschauer, Muskelverspannungen, Konzentrationsschwäche, Reizbarkeit, Einschlafstörungen.

Panikstörung: Betroffene mit einer Panikstörung leiden unter plötzlich auftretenden Panikattacken, die mit einem starken Angstgefühl, einem Gefühl der Ausweglosigkeit sowie körperlichen Reaktionen wie Atemnot, Engegefühl in der Brustgegend oder Herzrasen verbunden sind. Oft besteht das Gefühl, z.B. an Herzrasen sterben zu können. Eine Panikstörung geht oft damit einher, dass Betroffene die angstauslösenden Situationen, die z.B. eine U-Bahn Fahrt, gefüllte Plätze oder enge Räume sein können, zu vermeiden versuchen. Häufig wenden sie sich wegen der Panikattacken an die Notaufnahmen von Krankenhäusern.

Phobien: Phobien sind charakterisiert durch eine intensive Angst vor bestimmten Situationen oder Objekten, obwohl die Personen meist wissen, dass diese intensive Angstreaktion unbegründet ist. Man unterscheidet dabei verschiedene Phobien:

  • Soziale Phobie: Übertriebene Angst vor sozialen Situationen und sich in diesen Situationen peinlich oder unangemessen zu verhalten oder die Sorge von Anderen bewertet zu werden (z. B. Treffen fremder Personen, einen Vortrag halten, im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit zu stehen). Oft gibt es einen Übergang von ausgeprägter Schüchternheit, sozialer Ängstlichkeit hin zu einer sozialen Phobie, die Betroffenen versuchen soziale Bewertungssituationen zu vermeiden.
  • Agoraphobie: Angst vor Orten oder Situationen wie z. B. öffentlichen Plätzen oder Menschenmengen (Agora, aus dem Griechischen kommend, bedeutet Marktplatz). Vor allem befürchten Betroffene, dass sie im Fall einer Panikattacke nicht flüchten oder keine medizinische Hilfe erhalten können. Eine Agoraphobie tritt daher oft gemeinsam mit einer Panikstörung auf.
  • Spezifische Phobie: Angst vor bestimmten Objekten oder Orten wie z. B. Spinnen, Hunden, Mäusen, Höhen, Blut, Spritzen, Dunkelheit oder geschlossenen Räumen (Klaustrophobie).

Verlauf und Häufigkeit

Angststörungen sind die häufigsten psychischen Erkrankungen (Kessler et al., 2005). Laut Schätzungen leidet etwa jeder vierte Mensch mindestens einmal in seinem Leben an einer Angststörung. Dabei sind Frauen häufiger betroffen als Männer. Eine Angststörung entwickelt sich meist vor dem 45. Lebensjahr, wobei die Altersgruppe zwischen 18-34 Jahren am Häufigsten erkrankt.

Für alle Angststörungen gilt: ohne Behandlung verschwinden sie selten von alleine. Zudem können sie oft gemeinsam mit anderen psychischen Erkrankungen auftreten, z. B. mit anderen Formen von Angsterkrankungen, Depressionen oder somatoformen Störungen (dabei handelt es sich um anhaltende körperliche Beschwerden, z. B. Schmerzen, die jedoch vorrangig eine psychische Ursache haben). Die Betroffenen vermeiden dann häufig angstauslösende Situationen und konsumieren häufiger Alkohol und oder beruhigende Medikamenten und entwickeln Suchterkrankungen.

Eine unbehandelte generalisierte Angststörung verläuft häufig chronisch, wenn die Betroffenen daneben noch andere psychische Erkrankungen entwickeln. Dabei kann es auch Phasen geben, in denen sie wenig Symptome haben. Panikstörungen können sich ohne Behandlung verstärken, da zur ursprünglichen Angst im Laufe der Zeit eine ‚Angst vor der Angst‘ entsteht und Panik auslösende Situationen generalisieren.

Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?

Betroffene sollten sich behandeln lassen, wenn sie durch ihren Leidensdruck beeinträchtigt sind und z. B. ihrer Arbeit nicht mehr nachgehen, ihre Kontakte nicht mehr pflegen oder ihren eigenen Interessen nicht mehr nachkommen können, weil sie aufgrund ihrer Angst bestimmte Situationen vermeiden.

Bei Angststörungen werden vor allem Psychotherapie und/oder Pharmakotherapie empfohlen.

  • Psychotherapie: Im Rahmen einer kognitiven Verhaltenstherapie erarbeiten Psychotherapeutengemeinsam mit dem Patienten individuell, welche Denk- und Verhaltensmuster und auslösende Situationen die übertriebene Angst aufrechterhalten. Um das mit der Angststörung einhergehende Vermeidungsverhalten abzubauen, haben sich besonders sogenannte ‚Expositionsverfahren‘ als wirksam gezeigt. Dabei begibt sich der Betroffene unter Anleitung des Psychotherapeuten in die gefürchtete Situation und verbleibt in dieser, bis die Angstreaktion nachlässt. Darüber hinaus werden auch Entspannungs- und Achtsamkeitsverfahren angewendet.
  • Pharmakotherapie: Bei chronischen oder schweren Angststörungen, bei denen die Betroffenen erheblich in ihrem Alltag und ihrem Wohlbefinden eingeschränkt sind und/oder gleichzeitig unter Depressionen leiden, können diese auch mit Psychopharmaka behandelt werden. Einige, auch als Antidepressiva verwendete und meist gut verträgliche Medikamente, z. B. die Gruppe der Serotonin-Wiederaufnahmehemmer, zeigen ebenfalls positive Effekte in der Behandlung von Angststörungen.
  • Darüber hinaus können Selbsthilfegruppen den Betroffenen Unterstützung, Halt und die Möglichkeit zum Austausch anbieten. Zudem haben sich verschiedene Formen des Ausdauersports oder achtsamkeitsorientierte Sportarten wie Yoga als ergänzende Maßnahmen bewährt.
  • Wenn die Patienten einverstanden sind, sollten die Angehörigen in die Behandlung einbezogen werden. Angehörige erhalten Aufklärung über das Krankheitsbild, damit sie die Symptome des Patienten verstehen lernen. Darüberhinaus können Angehörige die Therapie unterstützen, indem sie die Patienten zu regelmäßigen Aktivitäten motivieren und dabei unterstützen, vermeidendes Verhalten zu reduzieren oder eine Psychotherapie durchzuführen.

Weitere Informationen finden sie in den aktuellen Patientenleitlinien zu Angststörungen: https://www.awmf.org/uploads/tx_szleitlinien/051-028p_S3_Angstst%C3%B6rungen_2017-10.pdf

Verfasst von:

Thi Main Huong Nguyen (Charité CBF, Psychologin)

Quellen:

Kessler, R. C. et al. Prevalence, Severity, and Comorbidity of Twelve-month DSM-IV Disorders in the National Comorbidity Survey Replication (NCS-R). Arch Gen Psychiatry 62(6), 617–627 (2005).